29. Juli 2005 | Neue Zürcher Zeitung
Romed Wyder ist ein politischer Mensch, ein Aktivist mithin, der behauptet, „Absolut“ basiere auf einer wahren Begebenheit und von uns Zuschauern erwartet, dass wir auf seiner Website Stellung beziehen und er ist Schweizer. Wenn das nicht der perfekte Nährboden für dröges Belehrungskino ist.
Aber Romed Wyder ist auch der Autor und Regisseur von „Pas de télé, pas de café, pas de sexe“, einer entspannten Komödie im Hausbesetzer-Milieu Genfs. Bereits in diesem Film hat er Wert auf Authentizität gelegt, die er mit „Squatters“ vier Jahre zuvor auch dokumentarisch festgehalten hatte. Trotz Botschaft hat er damals den Zeigefinger nicht ausgefahren und der Behlersamkeit keinen Raum gewährt. Sollte es ihm ein weiteres Mal gelungen sein, die gängigen Vorurteile ins Leere laufen zu lassen?
Unabhängig davon, welchen Realitätsgehalt man „Absolut“ zubilligen will was bei den meisten ohnehin bereits vor dem Kinobesuch beschlossene Sache sein dürfte Wyder ist ein handwerklich solider und sehenswerter Thriller gelungen. Er arbeitet mit einfachsten technischen Mitteln, investiert dafür aber umso mehr in ein durchdachtes Drehbuch und eine fantasievolle Regie. Formal schnörkellos aber erzählerisch raffiniert legt er seine Köder aus: Zwei Politaktivisten wollen dem globalen Kapitalismus das Handwerk legen. Um das „World Leader Summit“ zu verhindern, planen sie, in die „Interbank Clearing Corporation“ einen Computervirus einzuschleusen. Als Gegenleistung für den Anti-Virus fordern sie die Annullierung des Wirtschaftsgipfels. Die Aktion wird minutiös geplant, aber an die Ausführung kann sich Alex (Vincent Bonillo) hinterher nicht erinnern. Er erwacht nach einem Unfall im Krankenhaus und aus seinem Gedächtnis sind ausgerechnet jene 24 Stunden gelöscht, in denen seine Mission Impossible (wahrscheinlich) stattgefunden hat. An diesem Tag scheint einiges schief gelaufen zu sein: Seine Freundin Lucie (Delphine Lanza) hat sich von ihm getrennt, seinen Job hat er verloren und sein Komplize Fred (François Nadin) ist spurlos verschwunden. Alex muss sich unbedingt erinnern und macht deshalb eine Therapie im Rahmen eines Forschungsprojekts mit. Das allerdings hat zur Folge, dass Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Fiktion, Bewusstsein und Wunschdenken eine beängstigende Symbiose eingehen anstatt die grosse Klarheit erwarten ihn undurchsichtige Machenschaften. Ausgezogen, der Wirtschaftsoligarchie die Zähne zu zeigen, zappelt er nun selbst scheinbar hilflos in deren Fängen und muss sich gegen jene Viren kämpfen, für die sein Bewusstsein lediglich eine weitere Festplatte darstellt, die es zu manipulieren gilt.
Wyder versteht es äusserst geschickt, verschiedene Ebenen miteinander zu verschränken. Mal führt er die Zuschauer aufs Glatteis, mal hält er sie mit einer Erklärung bei Stange, nur um sie im nächsten Moment wieder zu verunsichern. Er beherrscht die Regeln des Thrillers bis hin zum Suspense souverän und hebt sich damit von vielem ab, was Spannung mit hysterischer Hektik und klebriger Bombastik erzwingen will. Er wirft zwar politische Fragen auf, lässt sich dadurch aber nicht den Thriller amputieren und hält sich so die überraschende „aktivistische“ Pointe bis zum Schluss offen. Bis dann haben die Köder ihre Wirkung getan wir zappeln bereitwillig am Haken und wollen nun doch mehr über die „wahre Begebenheit“ erfahren.
© Thomas Binotto