6/2002 | filmbulletin
Mit lästigen Problemen wie Plausibilität, innere Logik oder psychologische Glaubwürdigkeit hat sich Brian De Palma noch nie gerne aufhalten lassen. In „Femme Fatale“ ereicht er dank sei dem selbstverfassten Drehbuch einen erstaunlichen Reinheitsgrad an totaler Inhalts- und Sinnesleere und findet damit zu alter Form zurück, zu Filmen wie „Dressed to Kill“, „Body Double“ oder „Raising Cain“. Dem inszenatorischen Mätzchen, dem leichtverdaulichen Filmzitat und dem symbolistischen Tiefenschwindel ordnet De Palma alles unter, selbst die Story degradiert er zur überflüssigsten und störendsten Sache der Filmwelt.
Worum es in „Femme Fatale“ nicht geht: Es geht nicht um einen spektakulär raffinierten Diamantenraub bei den Filmfestspielen in Cannes. Es geht nicht um Laura, die noch raffinierter ist als ihre Auftraggeber und deshalb alle aufs Kreuz legt. Es spielt auch keine Rolle, dass sie von einem Komplizen erwischt wird und als direkte Folge davon einem alten Ehepaar buchstäblich in die Arme fällt. Nichts könnte nebensächlicher sein, als dass dieses Ehepaar sie für Lily hält, die Tochter, welche nach dem Tod von Mann und Kind verschwunden ist. Auch dass Laura nach Liliys Selbstmord deren Platz einnimmt und in die USA entwischt, ist einerlei. Wenn Laura sieben Jahre später als Frau des amerikanischen Botschafters nach Paris zurückkehrt wen kümmerts. Und dass der Paparazzo Nicolas mit dem Titelbild einer Boulevardzeitung ein mörderisches Katz und Mausspiel in Gang setzt, ist nichts als ein netter Zufall. „Femme Fatale“ ist ein Abzählreim ohne Sinn und Verstand ene, mene, muh und raus bist du.
Dass die Charaktere nulldimensional gezeichnet sind, dass De Palma bei sich und seinen Kollegen billigst abkupfert, dass er uns mir einer der schamlosesten Rückblenden aller Zeiten verarscht und dass das gestylte Dekor aussieht, als hätte de Palma das Set von „Emanuelle 69“ mitbenutzt all diese Hingabe zum Schund kann über eines nicht hinwegtäuschen: Diese Soft-Porno-Thriller-Farce ist ein höchst unterhaltsames Machwerk geworden.
Es macht einfach Spass, von De Palma als Kritiker und Zuschauer für blöd verkauft zu werden und seinem Way of Publikumsbeschimpfung zum Opfer zu fallen. De Palmas Zwang zur Überraschung ist lachhaft amüsant: Eine Hebebühne mit vielsagend drohenden Spiessen ist schon wieder vergessen, wenn ihr eine Stunde später dann doch noch jemand zum Opfer fällt. Ein Aquariumbecken schwappt tiefenpsychologisch dräuend über ein Rätsel dass niemanden interessiert und zum Schluss doch aufgeklärt wird. All unsere Erwartungen werden ad absurdum erfüllt und vor uns steht nackt und bloss ein Thriller. So gesehen ist de Palma ein ausserordentlich ökonomischer Film gelungen kein Motiv bleibt unverwertet, keine Fährte ungenutzt und zwecks Originalität werden auch nicht unnötig Hirnzellen gemartert.
Seine lustvollste Frechheit begeht De Palma dann aber doch nahezu unbemerkt, wenn er eine zahm-bürgerliche aber unzweideutig männliche Schlüpfer-Fantasie dem Hirn einer Frau unterjubelt. Antonio Banderas wird damit zum Alter-Ego de Palmas und „Femme Fatale“ schwingt sich fast schon zu autobiografischer Wahrhaftigkeit auf: Ein heruntergekommener Spanner, der vorgibt, Fotograf zu sein, tapeziert seine Wohnung mit Bildern, um einen filmtheoretischen Diskurs vorzuschwindeln, nur um sich umso entspannter ein paar Altherren-Fantasien hinzugeben.
„Ich habe das Gefühl, sie zu kennen.“ sagt Nicolas zu Laura, was unverschämt paradox ist, weil er ja angeblich Teil ihrer Fantasie ist. Damit besetzt er ganz selbstverständlich ihre Gedankenwelt und macht sich zum eigentlichen Urheber aller Träume ein Plagiator aus Selbstverständlichkeit.
Ich habe das Gefühl, sie zu kennen Mr. de Palma und ich kann beim kritischsten Willen nicht umhin, es zu geniessen, von ihnen, sie alter Schmierenimitator, aufs Kreuz gelegt zu werden.
© Thomas Binotto