14. Oktober 2005 | Neue Zürcher Zeitung
Die Story mag dünn sein. Aber sind „Frankenstein“, „King Kong“ oder „Batman“ wirklich nahrhafter? Und kann der Nährwert gesteigert werden, indem man solche Filme parodiert?
„The Curse of the Were-Rabbit“ nimmt das Gruselgenre querbeet aufs Korn und bringt dabei Kraut und Rüben derart fantasievoll durcheinander, dass man schon bald keinen Gedanken mehr daran verschwendet, ob dieses Menü wohl nachhaltig sättigt. Die Gags kommen a point, die Ausstattung ist bis ins letzte Plastilinklümpchen ein Leckerbissen und die Tonspur eine Sinfonie. Wer da noch über die absurde Jagd nach einem Riesenkaninchen sinnieren möchte, ist selber schuld.
Dass der Verleih dennoch inständig darum bittet, die überraschenden Wendungen dieser erfrischend ziellosen Hatz nicht preiszugeben, ist fast schon rührend ängstlich. Wen bitte interessiert es, dass der geniale aber dämliche Erfinder Wallace mit seinem Sicherheitsservice „Anti-Pesto“ die Gärten einer englischen Kleinstadt vor Schädlingen insbesondere Kaninchen befreit? Was kümmert es uns, dass er die Übeltäter einer Gehirnwäsche unterzieht, bei der anstatt Anti-Vegetarios ein nimmersattes Riesenkaninchen herauskommt? Der schiesswütige Victor Quartermain macht darauf Jagd, das Unschuldslämmchen Wallace auch, der Pöbel lechzt nach Rache für sein geschändetes Gemüse, und über allem schmachtet Gräfin Tottington. Vor allem aber ist herzlich egal, wer hier wen jagt.
Der eigentliche Star ist ohnehin die treue Hundeseele Gromit, die weder Worte noch eine Handlung braucht, um uns in Ekstase zu versetzen. Er hat, was nur die ganz Grossen vom Schlage eines Marlon Brando haben: Charisma pur, weshalb er uns bereits durch ein leichtes Zucken des linken Augenlids in Verzückung zu versetzen weiss. Und in Sachen Coolness kann es mit ihm derzeit höchstens George Clooney aufnehmen aber auch nur knapp.
Wie schon in seinen drei vorangegangenen Kurzfilmen um das Traumpaar „Wallace & Gromit“ frönt Maître Nick Park hemmungslos dem Parodiertrieb. Weil er aber auch mit der ganz feinen Klinge umgehen kann, entsteht aus 2,8 Tonnen Plastilin eine Delikatesse, wie sie mit diesen Zutaten nur ihm gelingen kann. Aus jedem Winkel drängen Persiflage, Karikatur und Kalauer ins Rampenlicht: Hier der Buchrücken von „East of Edam“, dort die „Plants Suite“ auf dem Plattenteller und als Krönung die Lady im Haute-Couture-Maiskolben. Und als Sahnehäubchen der magistrale Auftritt Gromits im Karussell-Flugzeug. Derart genüsslich werden solcherart Genregesetze und angelsächsische Lebensart filettiert, dass man sich glatt im „What’s What?“ verlieren möchte, wenn man nicht ständig durchs eigene Gelächter in der Konzentration gestört würde.
Für Allergiker noch dies: Leider warnen die Produzenten erst fast am Schluss des Films vor seinem gefährlichen Inhalt. „May contain nuts“ steht auf einem Karton, mit dem Gromit geistesgegenwärtig die Blösse seines Herrn bedeckt. Aber da sind wir schon derart vernarrt in die Beiden, dass wir leichtfertig auf Allergien pfeifen und sogar einem am End noch dünnen Gag unter der Gürtellinie applaudieren.
© Thomas Binotto